Pressemitteilung
Standort Lülsdorf
10. September 2013

Teil 13: Der Grundstein zur Spezialchemie

1962 wurde das Werk an den Dynamit Nobel-Konzern verpachtet und firmierte unter der Bezeichnung „Dynamit Nobel AG, Werk Feldmühle Lülsdorf“. Sechs Jahre später übernahm Dynamit Nobel den Standort endgültig (mehr dazu in Teil 14 unserer Serie). Die Übernahme des Werks durch die Dynamit Nobel war von tragender Bedeutung für die Erweiterung des Produktportfolios. Basierend auf Alkoholaten wurde nun Orthoester nach firmeneigenen Patenten hergestellt. Insbesondere Trimethylorthoformiat (TMOF) und Triethylorthoformiat (TEOF) wurden zunächst in kleiner Menge, später in großem Maßstab produziert. Das Interesse der Pharmaindustrie, aber auch das der Agro-, Farbstoff- und Riechstoffindustrie an diesen Produkten aus Lülsdorf war groß. In den 1960er Jahren wurden auch herkömmliche Produktionsverfahren grundlegend verbessert. Für den Korund-Bereich stellte sich die Inbetriebnahme eines Versuchs-Kippofens als zukunftsweisend heraus. Der Vorteil des hydraulisch betriebenen Ofens lag darin, dass er während des Entleervorganges (Kippen) weiter beheizt werden konnte. Dadurch konnte die Qualität der Schmelze deutlich verbessert werden. Das Ergebnis war die Entwicklung schmelzgegossener Steine, die zur Ausmauerung spezieller in der Stahlindustrie eingesetzter Öfen benötigt wurden. Doch mit all den Neuerungen traten neue Probleme auf: Die im Elektroschmelzbetrieb entstehenden Abriebe und Stäube gelangten damals zumeist noch direkt in die Umwelt. Die Stäube waren zwar für die Umwelt und den Organismus an sich unschädlich, stellten aber für die Mitarbeiter des Werks und die Bewohner in der näheren Umgebung eine erhebliche Belästigung dar. Bei Vermahlung und Siebung lässt sich die Bildung der Stäube nicht verhindern. Deshalb arbeitete das Werk an einer Lösung für dieses Problem: Eine große Rohrleitung entstaubte die Blockschmelzöfen des Elektroschmelzbetriebs über dem Kamin.
Die Verlegung eines Bündels von Rohrleitungen in einem Düker unter dem Rhein stellte ab Ende des Jahres 1962 eine Verbindung zwischen dem Werk in Lülsdorf und der Union Rheinische Braunkohlenkraftstoff AG Wesseling her. Diese Leitung war außerordentlich bedeutsam für die weitere Zukunft des Werks und wird bis heute genutzt: Nun hatte das Werk endlich einen direkten Zugang zu Ethylen und konnte somit kostengünstig 1,2-Dichlorethan (EDC), ein Vorprodukt von Vinylchlorid, und auch Perchlorethylen (PER) herstellen. Eine an die neue Leitung angeschlossene EDC/PER-Anlage ging bereits ein Jahr später in Betrieb. Von nun an konnte das gesamte Chlor des Werks restlos weiterverarbeitet werden (siehe auch Teil 12 unserer Serie).

Unter neuer Führung

1964 konnten die im Technikum erzeugten Mengen an TMOF bereits nicht mehr die wachsende Nachfrage decken, so dass eine nur auf TMOF zugeschnittene kleine Produktionsanlage erstellt wurde, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten auf eine Kapazität von 13.000 Tonnen/Jahr ausgebaut werden konnte.
Zum Ende des Jahres 1965 übernahm Karl Hass seine neue Funktion in der Konzernzentrale Troisdorf der Dynamit Nobel AG, Dr. Ernst Feder wurde neuer Werksleiter. Unterdessen gab es konkrete Pläne zur weiteren Optimierung der Chlorverwertung: Der Bau einer Vinylchlorid- und einer Oxychlorierungsanlage hatte bereits im September begonnen und war ein Jahr später abgeschlossen. Mit diesen Anlagen, die unmittelbar neben der EDC-Anlage errichtet wurden, war das Werk in der Lage, viele wichtige Verfahrensschritte zur Erzeugung verschiedener Kunststoffe auf PVC-Basis selbst und unabhängig durchzuführen. Auf diese Weise wurde Lülsdorf zum wichtigsten Rohstofflieferanten für den Vinylchlorid-Polymerisationsbetrieb der Dynamit Nobel in Troisdorf. Mipolam und Trovidur, die bekanntesten Kunststoffe des Unternehmens wurden im ersten Schritt in Lülsdorf hergestellt. Dichlorethan bot die chemische Grundlage für sämtliche technische Lösungsmittel. Vor allem Perchlorethylen und 1,1,1-Trichlorethan(Mecloran) fanden großen Absatz zur Entfettung in der Textil- und Metallindustrie. Nachdem diese Großanlage optimal lief, wurde die alte VC-Anlage zunächst stillgelegt und anschließend komplett demontiert. Etwa zur gleichen Zeit wurden die Wohnbaracken, die vorerst zur Unterbringung von Fremdarbeitern und Übersiedlern gedient hatten, abgerissen.

 

Rohrbündel mit Zukunft

Die neue Dükerverbindung unterhalb des Rheins spielt im Werk in Lülsdorf bis heute eine große Rolle. Ursprünglich bestand das Rohrbündel in diesem Dücker aus insgesamt 11 Stück, wobei das größte Rohr einen Durchmesser von 150 mm hatte. In acht Stahlrohrleitungen wurden Ethylen, Kalilauge, Stickstoff, Methanol, Flüssigchlor und Synthesegas transportiert. Auch heute wird noch ein Teil der Leitungen genutzt.
Die drei Kunststoffleitungen dienen zur Aufnahme von Kabeln zur Übertragung von Mess- und Kommunikationsdaten.