
vor 140 Jahren
Von Zigarren und Platin: Ein erster Standort in Hanau
Aus Alt mach Neu: Vor 140 Jahren begann Wilhelm Siebert in der Zigarrenkistenfabrik seines Vaters Platin-Reste aus dem Schmuckhandwerk zu verarbeiten. So entstand die Platinschmelze G. Siebert OHG, ein früherer Hanauer Standort der Evonik-Vorgängerin Degussa.
Dass Hanau nicht nur als Geburtsort der Brüder Grimm bekannt ist, sondern auch wegen ihres erlesenen Schmuckhandwerks gerühmt wurde, verdankt die Stadt im 16. Jahrhundert zugewanderten wallonischen Glaubensflüchtlingen, unter denen sich zahlreiche Gold- und Silberschmiede befanden.
Vor allem die Platin Abfälle dieser Schmuckbetriebe legten den Grundstein zu einer Firma, die der erste Standort einer Evonik-Vorgängergesellschaft in Hanau werden sollte. Denn 1881 gründete Wilhelm Siebert zunächst provisorisch in der Zigarrenkisten- und Zigarrenwickelformen-Fabrik seines Vaters Gustav die offene Handelsgesellschaft Platinschmelze Siebert. Geschäftszweck war die Herstellung von Platinblechen und -drähten. 1885 nahm Wilhelm Siebert eine Platin-Scheiderei in Betrieb, deren Produkte auch den hohen Anforderungen der chemischen Industrie genügten. Es folgten Fabrikationen von Gold- und Silber-Legierungen für die Schmuckindustrie.

1906 wurde die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vorm. Roessler (später Degussa) im nahen Frankfurt zunächst stiller Teilhaber der Platinschmelze Siebert und vermehrte deren Betriebskapital um ein Viertel. Da das Unternehmen im Laufe der folgenden Jahre weiterhin erfolgreich war, wurde die Degussa 1921 offizielle Mitgesellschafterin des nunmehr als Platinschmelze G. Siebert GmbH firmierenden Unternehmens. Zu dessen Produktprogramm gehörten Platin- und Rhodiumdrähte sowie Netzkatalysatoren aus beiden Edelmetallen, dazu Platingewebe und -gefäße und später auch Spinndüsen, Thermoelemente und Widerstandsthermometer. 1934 ging die Platinschmelze Siebert in den Alleinbesitz der Degussa über, die sie 1941 in eine Zweigniederlassung umwandelte, um mit dem eigenen Firmennamen inmitten der Stadt präsent zu sein. Die neue Zweigniederlassung Hanau wurde ein wichtiger Stützpunkt der Degussa, vor allem durch die Verlagerung der Metallforschung aus dem von Bomben zerstörten Frankfurt.
Als diese Metallforschung Anfang der 1970er Jahre in das neue Edelmetallwerk der Degussa in Hanau-Wolfgang zog, begann der schleichende Niedergang des Standortes in der Hanauer Innenstadt. Ende der 1990er Jahre schließlich wurde das weitläufige Gelände verkauft. Wenn auch 2020 neue Verwendungskonzepte angekündigt wurden, prangt weiterhin das Logo der Degussa gut sichtbar an einer der Fassaden.