Evonik-Chef Christian Kullmann
Evonik-Chef Christian Kullmann
Unternehmen

"Wir sind der Flankengott der Industrie"

Evonik macht das Leben der Menschen besser und nachhaltiger. Wie, erklärt Vorstandsvorsitzender Christian Kullmann im Interview.

Herr Kullmann, in diesem Jahr beginnt Ihre zweite Amtszeit als Evonik-Chef. Was haben Sie sich vorgenommen?

Das Ziel steht fest: Evonik soll das beste Spezialchemieunternehmen der Welt werden. Hier sind wir auf halber Strecke. Die ersten 50 Meter des 100-Meter-Sprints haben wir geschafft, sehr erfolgreich sogar. Wir haben den richtigen Kurs eingeschlagen mit der Konzentration auf Spezialchemie, der Bündelung unserer Innovationskraft­, dem Fokus auf Nachhaltigkeit und profitables Wachstum. Und wir sind widerstandsfähiger geworden. Gerade in der Coronapandemie haben wir bewiesen, dass wir Krisen meistern können. Und dass wir gestärkt daraus hervorgehen. Diese Kraft­ nutzen wir jetzt für die zweite Hälfte unseres Sprints: Wir werden uns weiter fokussieren, bei unserem Nachhaltigkeitsprofil ebenso wie bei unserem Produktportfolio.

Auf welchen Feldern tummelt sich Evonik denn?

Als Spezialchemieunternehmen sind wir besonders breit aufgestellt. Wir sind Entwickler, Möglichmacher und Lieferant für alle anderen Industrien. Unsere Produkte stecken in Elektroautos ebenso wie in Windrädern, in Shampoo und Zahnpasta, in Tierfutter und in Medikamenten. Unsere Spezialitäten verleihen all diesen Endprodukten unserer Kunden ihre besonderen Eigenscha­ften. Sie machen sie gesünder, stabiler, leichter, sparsamer. Gemeinsam mit unseren Kunden machen wir das Leben der Menschen besser und nachhaltiger.

Woher weiß Evonik, was die Kunden brauchen?

Evonik ist ein internationales Unternehmen, wir sind mit über 33.000 Beschä­ftigten in mehr als 100 Ländern aktiv. In Asien und in Amerika sind wir genauso zu Hause wie in Europa. Unsere Erfahrung lehrt: Die Nähe zum Kunden, die Nähe zum Markt, ist zwingend erforderlich, wenn man in den Regionen der Welt erfolgreich sein will. Genau das wollen wir. Mit vielen unserer Kunden arbeiten wir seit Jahren eng zusammen, auch in der Produktentwicklung. So können wir frühzeitig antizipieren, was die Kunden unserer Kunden wollen, und Lösungen entwickeln für die Welt von morgen. Dabei gehen wir bei Evonik weit über die Chemie hinaus. In unseren Laboren arbeiten neben Chemikern auch Biologen, Mediziner, Biotech-Experten und viele andere Spezialisten.

Christian Kullmann, seit 2017 Vorstandsvorsitzender von Evonik

Apropos Welt von morgen: In welchen Bereichen sehen Sie besonderes Potenzial?

Die Biotechnologie eröffnet uns gerade viele Möglichkeiten, denn sie passt in die heutige Zeit. Sie ist nachhaltig, hocheffizient und ressourcenschonend. Sie ermöglicht nicht nur die Produktion von Inhaltsstoffen für Nahrungs- und Futtermittel, hautverträgliche Kosmetik, umweltschonende Waschmittel und Biokunststoff. Sie schafft auch die Voraussetzungen, um Fleisch im Labor herzustellen und Bioethanol aus zuckerhaltigen Pflanzen zu gewinnen.

Haben Sie ein Beispiel?

Für unseren Kunden Unilever und mit ihm haben wir Rhamnolipide entwickelt, auf deren Basis wir Biotenside herstellen, die zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind und trotzdem von höchster Qualität. Unilever ist von dieser Lösung so überzeugt, dass wir unseren Standort in der Slowakei erweitern, um die Kapazitäten deutlich zu erhöhen. Hier passen Nachhaltigkeit und Wachstum perfekt zusammen. Evonik hat auch eine Partnerscha­ft mit dem Impfstoffhersteller BioNTech.

Wie geht das weiter, wenn die Pandemie überstanden ist?

Die Coronapandemie hat der mRNA-Technologie zum Durchbruch verholfen. Der Covid-19- Impfstoff ist erst der Anfang. Diese Technologie wird die Medizin grundlegend verändern, wir werden völlig neue Therapien sehen, gegen Krebs, HIV, Malaria und Erbkrankheiten. Für diese Therapien werden spezielle Transporttechnologien benötigt, um Wirkstoffe zielgerichtet und sicher an ihren Einsatzort im Körper zu bringen. Hier ist Evonik seit Jahrzehnten führend. Und wir forschen weiter, zum Beispiel mit der Universität in Stanford, an neuen Lösungen.

Parallel forschen Sie bei Evonik auch an neuen Möglichkeiten, Kunststoff zu recyceln.

Die Kreislaufwirtschaft spielt bei uns in immer mehr Bereichen eine Rolle. Es geht darum, Alternativen zur Wegwerfwirtschaft zu finden. Also nicht mehr herstellen, nutzen und entsorgen, sondern recyceln und wieder nutzen. Erst vor Kurzem haben wir ein Verfahren entwickelt, alte Polyurethan-Matratzen als Rohmaterial für die Produktion neuer Matratzen zu nutzen. Damit können enorme Mengen Abfall eingespart und der Kohlenstoffkreislauf geschlossen werden. Solche Verfahren gibt es auch in anderen Bereichen, aber da geht noch viel mehr.

Bei Nachhaltigkeit denken die wenigsten an Chemie.

Das sollten sie aber. Denn unsere Produkte sind ein zentraler Baustein zur Lösung der Klimakrise. Ohne Chemie dreht sich kein Windrad, gibt es keine Gebäudedämmung, keine Elektroautos und eben auch kein Verfahren für Kunststoff-Recycling. Wir sind, wenn Sie so wollen, der Flankengott der Industrie. Früher war die chemische Industrie mit ihren Emissionen sicher auch ein Teil des Problems, heute sind wir der wesentliche Teil der Lösung.

Wie nachhaltig ist denn Evonik selbst?

Wir investieren Jahr für Jahr mehr als 400 Millionen € in Forschung und Entwicklung, um Lösungen zu finden für sauberes Wasser, gegen unfruchtbare Felder und gegen den Klimawandel. Und wir erwirtschaften schon heute 37 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten, die über ein starkes positives Nachhaltigkeitsprofil verfügen. In den nächsten fünf Jahren werden wir den Anteil dieser sogenannten Next Generation Solutions konstant steigern. Das nenne ich echte Transformation! Wir sind doch schon mittendrin in einem Prozess, über den viele andere erst noch reden.

Zahlt sich das auch wirtscha­ftlich aus?

Evonik ist hochprofitabel, und das ist gut so. Nur erfolgreiche, profitable Unternehmen haben die Stärke und die Ausdauer, viel Geld in Forschung und Entwicklung zu investieren. Entscheidend sind am Ende immer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer die besten Leute für sich gewinnen will, der muss ihnen etwas bieten. Damit meine ich nicht nur ein gutes Gehalt. Die Menschen, die für Evonik arbeiten, wollen etwas erreichen, für sich und für andere. Sie wollen sich entwickeln, wollen neue Wege gehen und etwas Sinnvolles tun. In der Coronakrise sind das Engagement und die Überzeugung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders deutlich geworden. Dass wir heute so respektabel dastehen, ist eine echte Teamleistung. Dafür gebührt allen Beschäftigten mein aufrichtiger Dank!

Evonik macht das Leben besser, Tag für Tag. Wir entwickeln Ideen, Produkte und Lösungen und sind dabei nah am Menschen, nah an unseren Kunden. Deren Produkte zu verbessern ist unser Antrieb – und unser Geschäft. Evonik stellt rund 4.000 Produkte her, und ständig kommen neue Entwicklungen dazu. Wir machen die Fischzucht nachhaltig, Autolacke kratzfest und Matratzen weicher. Das geht von der Mobilität über die erneuerbaren Energien, über den Bau und die Medizintechnik bis zur Landwirtschaft. Wo immer Sie leben und was immer Sie tun: Evonik ist dabei, denn Evonik macht Spezialchemie. Das bedeutet, dass wir uns darauf spezialisiert haben, für unsere Kunden zu forschen und zu entwickeln, um deren Produkte zu verbessern. Die Spezialchemie ist eine Schlüsselbranche, die ganz verschiedene Kompetenzen zusammenbringt, mit dem Ziel, das Leben der Menschen besser zu machen, und zwar heute ebenso wie morgen. Wir gehen in unseren Entwicklungen weit über die reine Chemie hinaus: in die Biotechnologie, die Medizin, die Physik. Die Spezialchemie von morgen muss mehr können als nur Chemie. Genau dafür steht unser Selbstverständnis „Leading beyond chemistry, to improve life today and tomorrow“.

Weitere Informationen: