
Salto Vitale in Tours
Einst ein Nischenprodukt, heute ein Megatrend: Die Nachfrage nach Naturkosmetik steigt weltweit. Im französischen Tours kommen Wissenschaftler diesem Trend entgegen. Sie produzieren hochwirksame Pflanzenextrakte mit moderner Biotechnologie.
Die Sache mit dem Stress begann ausgerechnet vor Weihnachten. „Es war eines dieser Experimente, die eigentlich zum Scheitern verurteilt sind“, erinnert sich Franck Michoux. Bevor der Pflanzenbiologe und seine Kollegen sich in die Ferien verabschiedeten, steckten sie Pflanzen nicht in die Erde, sondern ließen sie unter sterilen Bedingungen auf einer Nährlösung in einem Bioreaktor schwimmen. „Ich war überzeugt, dass die Zellen abgestorben sind, wenn wir zurückkommen“, sagt Michoux. Tatsächlich hatte die Pflanze aber zahlreiche neue Blätter entwickelt. Als das Ergebnis auch bei Wiederholungen das gleiche blieb, meldete Michoux den Prozess 2008 zum Patent an und gründete 2011 Alkion Biopharma SAS, um ihn zu perfektionieren.
Pflanzen unter Stress
Das kleine Weihnachtswunder hängt mit einer einzigartigen Eigenschaft von Pflanzen zusammen: „Wenn sie widrigen Umständen ausgesetzt sind, können Pflanzen nicht wegrennen. Sie müssen den Angriff abwehren. Viele Gene im Pflanzengenom werden erst bei Gefahr aktiviert“, erklärt Michoux. Befällt zum Beispiel ein Pilz den Stamm, liefern die Gene den Bauplan für ein Fungizid. Konfrontiert mit Eiseskälte, wappnen manche Blumen ihre Zellen mit einem natürlichen Frostschutzmittel. Andere halten sich Insekten durch selbst produziertes Gift vom Leib.
Im Labor setzen die Wissenschaftler die Pflanzen sogar bis zu 40 Extrembedingungen aus: Sie verändern zum Beispiel das Licht, die Temperatur oder die Zusammensetzung des Nährmediums, damit die Gewächse sich mit den gewünschten Substanzen zur Wehr setzen. Wie interessant manche dieser Substanzen gerade für die Kosmetikindustrie sind, erfuhr Michoux, als er seine Forschungsergebnisse auf einer Konferenz in Paris vorstellte. Plötzlich stand die halbe Branche bei ihm Schlange.

Rohstoffe für pfanzliche Kosmetik
Durch die Übernahme von Alkion Biopharma im Jahr 2016 schloss Evonik eine Lücke im Sortiment – und besitzt seitdem unter dem Namen Evonik Advanced Botanicals eine der weltweit führenden Technologien zur Herstellung pflanzlicher Kosmetikrohstoffe. Während konventionell auf Plantagen gewonnene Pflanzen den Nachteil schwankender Ausbeute und Qualität haben, stellt Michoux mit seinem Team im Labor hochkonzentrierte, wirksame Stoffe mit gutem Nachhaltigkeitsprofil her – und zwar biotechnologisch und damit reproduzierbar.
Ayurvedische Weisheiten und moderne Biotechnologie
Noch ist die Herstellung maßgeschneiderter Pflanzenpräparate im Kundenauftrag das Hauptgeschäft von Evonik Advanced Botanicals. Mit NEOPLANTA® Withania haben die Wissenschaftler nun allerdings ihr erstes eigenes Produkt auf den Markt gebracht: Der pflanzliche Rohstoff vereint alte ayuverdische Weisheiten mit modernster Biotechnologie, um vor vorzeitiger Hautalterung durch Stress und Umwelteinflüsse zu schützen. Gewonnen wird der Extrakt aus der Wurzel der Pflanze Withania somnifera. Kennern der ayurvedischen Heilkunde ist sie als Ashwagandha bekannt, der Volksmund spricht von Schlafbeere oder Indischem Ginseng.
Bei der Markteinführung konnte Michoux auf das Expertennetzwerk von Evonik zu Zulassungsfragen, Marketing und Vertrieb zurückgreifen. NEOPLANTA® Withania ist weltweit erhältlich. „Das Interesse ist besonders in den USA und Japan sehr groß“, sagt Michoux.
Das ermutigt den Pflanzenbiologen, das Portfolio eigener Produkte weiter auszubauen. Das Potenzial ist groß: Mehr als 70 Pflanzenarten testen die Wissenschaftler in Tours und werden dabei täglich von der Vielseitigkeit der Reaktionen überrascht. Michoux ist überzeugt, bisher nur die Spitze des Eisbergs zu kennen. „Wenn ich eines von den Pflanzen gelernt habe, dann ist das Ausdauer.“
- 54% natrliche Inhaltsstoffe
- 52% tierversuchsfrei
- 48% ohne Konservierungsstoffe
- 35% vegan
- 30% alkoholfrei
Ergebnis einer Befragung von Onlineshoppern in Deutschland, Frankreich und Großbritannien (Quelle: A. T. Kearney)