Produkte & Lösungen

Auf der Überholspur: Lufttaxis

Weltweit arbeiten Hersteller an aufsehenerregenden Modellen für das, was bald der letzte Schrei im öffentlichen Nahverkehr sein wird - Lufttaxis. Jedes mit unterschiedlichen Technologien, Funktionen und Designs. Doch eines haben sie alle gemeinsam: ein Fahrgestell, das leicht, energiesparend und robust ist. Und das alles zur gleichen Zeit. Die bewährten Stärken von ROHACELL® Schaumkernen bieten diesem aufstrebenden und spannenden Markt eine ganze Sammlung von Materiallösungen mit den gewünschten Vorteilen.

Keine umwälzende Innovation kam komplett aus dem Nichts. Ingenieure entwickeln Ideen weiter, die in der Luft lagen, Unternehmen greifen Produkte auf, die im ersten Anlauf nicht erfolgreich waren. Nur im Bewusstsein der Öffentlichkeit kommen sie manchmal verspätet an. Bestes Beispiel: Berichte über Flugtaxis werden in Medien noch immer sehr häufig mit dem Hinweis eingeleitet, dass solche Fortbewegungsmittel wirklich „keine Sciencefiction“ mehr seien. Als müssten sich die Journalisten selbst noch davon überzeugen. Das autonome Auto hingegen erscheint eher eine Frage des „Wann?“. Dabei ist es sehr gut möglich, dass Flugtaxis noch vor vollständig autonomen Fahrzeugen im Einsatz sind. Weltweit werden Modelle und Prototypen entwickelt, setzen zu Jungfernflügen an, weltweit vermelden die Produzenten neue Meilensteine. Startups sammeln Investitionsgelder oder schließen bereits langfristige Kooperationen mit möglichen Anwendern. Die Zukunft, sie steht nicht nur vor der Tür, sie steht bereits in Hangars und auf Flugplätzen. Ihr etwas sperriger, offizieller Name: „Electric powered vertical takeoff and landing aircraft”, kurz eVOTL.

Im Luftraum ist noch jede Menge Platz

Der Feuereifer der Ingenieure und das hohe Interesse der Investoren haben Gründe, und die haben mit Urbanisierung zu tun, mit Mobilitätsfragen und mit steigendem Güterverkehr. „Wenn jeder ein Auto hat, bewegt sich nichts mehr“, sagt Analli Carvalho, Business Development Manager für Air Taxis & Commercial Aviation in der Produktlinie Performance Foams bei Evonik.

In London, Paris oder Sankt Petersburg stehen die Menschen schon heute jährlich im Durchschnitt über 150 Stunden im Stau, in Bogota und Rio de Janeiro sind es sogar knapp 200 Stunden im Jahr. „Es ist also sehr logisch, den Passagiertransport in den Luftraum zu verlegen – da ist noch jede Menge Platz“, sagt Carvalho. Zumal die weitere Entwicklung vorauszusehen ist: Der Lieferverkehr hat sich auch aufgrund des Onlinehandels in zahlreichen Ländern in wenigen Jahren verdoppelt und steigt an Volumen weiterhin mit geschätzten 17 Prozent pro Jahr. Tendenz ungebrochen. Dr. Alexander Roth hat ein Auge auf all diese Prozesse sowie auf die Entwicklung von Flugtaxis und alle anderen neuen Markttrends und Aktivitäten in der Luft- und Raumfahrtindustrie, denn er leitet das Segment Aviation Transportation für das ROHACELL® Performance-Foams-Geschäft von Evonik.

ROHACELL® ist einer der Zufallsfunde der Innovationsgeschichte. Ein Strukturschaumstoff aus Polymethacrylimid, der bei einem Experiment in den späten 1960er Jahren entstand, und einige hervorragende Eigenschaften aufweist: Er ist extrem steif, gleichzeitig sehr leicht und hoch temperaturbeständig. Kurz gesagt: Das ideale Kernmaterial für Komposit-Bauteile. In einem Verbundbauteil in Sandwichbauweise lässt es sich leicht mit Kohlefaserdeckschichten verbinden, so dass ein extrem festes Bauteil entsteht, das deutlich weniger wiegt als vergleichbare Strukturteile aus Metall. „Solche Composites lassen sich dann problemlos bei 180 Grad und hohem Druck verarbeiten, sind also sehr schnell und effizient zu produzieren – da hat ROHACELL® ganz starke Vorteile gegenüber anderen Werkstoffen“, sagt Roth. Deshalb wird der Polymethacryl-imid-Schaumstoff seit fast 50 Jahren weltweit in zahlreichen Leichtbauanwendungen eingesetzt: Bei Flugzeugen genauso wie für die Rotorblätter von Hubschraubern oder für Drohnen. Anders gesagt: Ein Werkstoff wie gemacht für Flugtaxis, lange bevor es sie gab.


Die richtigen Verbundmaterialien werden entscheidend

Aktuell müssen die konkurrierenden Flugtaximodelle vor allem zwei Dinge unter Beweis stellen: Dass sie sicher fliegen können – und dass sie akzeptable Geschwindigkeiten und Reichweiten erzielen. Experten schätzen, dass die eVOTL-Fluggeräte mindestens 100 bis 150 Stundenkilometer erreichen sollten – andernfalls ließe sich gegenüber anderen Verkehrsmitteln kaum Zeitersparnis gewinnen. Derzeit planen die meisten Entwickler Kabinen, die zwischen zwei bis fünf Passagiere aufnehmen könnten. Und natürlich sollen die Flugtaxis auch unter Last mit ihren Antriebsreserven weit genug fliegen können, bevor sie tanken oder aufladen müssen. Umso wichtiger also ist an dieser Stelle der Leichtbau: Weniger Gewicht bedeutet weniger Energieverbrauch – beziehungsweise mehr Energie für schnellere Geschwindigkeiten und weitere Strecken. Die richtigen Verbundstrukturen und -materialien werden hier sehr entscheidend sein: Außen eine leichte Sandwich-Struktur mit kohlefaserverstärktem Kunststoff, innen ROHACELL® als Strukturschaumkern. Hinzu kommt das wichtige Thema Nachhaltigkeit: Je leichter die Flugtaxis sind, desto stärker können sie auch ihr Argument vermitteln, energiesparende, nachhaltige Alternativen im Transportmix der Zukunft zu sein.

Die Kombination von Materialien und der damit verbundene Produktionsaufwand werden umso wichtiger, wenn es um komplexe Bauteile, komplexe Formen oder vielfältige Krafteinwirkungen geht. Hier spielt ROHACELL® ganz besonders seine Stärken aus, denn durch die hohe Temperaturbeständigkeit können Hersteller sowohl die Produktionszeit als auch die Kosten deutlich reduzieren. Am Ende steht trotz hochwertigerer Werkstoffe ein preislich günstigeres Komposit-Bauteil. „Das gilt zum Beispiel für die Fahrgastzellen vieler Flugtaxi-Modelle, die ja speziell designt sind, um moderne Ästhetik zu kombinieren mit aerodynamischem Profil“, sagt Carvalho. „Oder für Türen oder die Einhausungen von Triebwerken – überall dort, wo wir es mit runden, komplexeren geometrischen Formen zu tun haben.“

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Flugtaxis

Im Detail wird das vom konkreten Design der Lufttaxis abhängen. Hier verfolgen die Hersteller teilweise sehr verschiedene Ansätze. Der „Velocity“ des deutschen Unternehmens Velocopter hat seine 16 kreisförmig angeordneten Rotorblätter oberhalb der Fahrgastkabine angeordnet, das „Ehang 216“ aus China hingegen unterhalb der Kabine, das Airbus-Flugtaxi ist in das futuristische Design vier großer Ringe eingebettet, während der Lilium Jet mit Flügeln operiert. Die Designvielfalt dieser und anderer Projekte ist ebenso inspirierend wie beeindruckend. Und definitiv eine Herausforderung, was Werkstoffe angeht. „Hinzu kommt, dass die dynamische Materialbeanspruchung eine ganz andere sein wird, als bei Flugzeugen oder Hubschraubern“, ist Carvalho überzeugt: „Weil Flugtaxis viel häufiger starten und landen werden.“ Das Geschäftsmodell ist gerade beim Passagierverkehr schließlich darauf ausgelegt, möglichst viele Flüge zu absolvieren und zwischendrin schnell aufzuladen. Darüber hinaus sind die anvisierten Einsatzmöglichkeiten von Flugtaxis schon jetzt beeindruckend vielfältig. Zwar ist das Bild des Lufttaxis für Passagiere innerhalb von Großstädten in der öffentlichen Diskussion am präsentesten. Gleichzeitig gibt es aber auch konkrete Überlegungen für ganz andere Bereiche: Notärzte könnten schneller in entlegene Gebiete kommen, schwere Lasten ließen sich transportieren, Offshore-Bohrinseln mit Material und Personal versorgen, und andere Hersteller wiederum setzen gezielt auf Regionalverkehr von Stadt zu Stadt. Gemein ist allen diesen Ideen, dass sie schließlich ohne Piloten auskommen sollen: Die Flugtaxis werden autonom unterwegs sein, gesteuert von der Computerzentrale. Die Gäste sollen keine Eingriffsmöglichkeiten bekommen – weil so die Risiken nur unberechenbarer würden.

Gedankliche Hürden durchbrechen

Das wiederum bedeutet, dass die Branche auf jeden Fall „gedankliche Hürden“ durchbrechen muss, nämlich das potenziell mulmige Gefühl der Passagiere vor Kontrollverlust. Möglich ist das auf jeden Fall. Wie lange sie dauern wird, diese Kombination aus Kundenakzeptanz, technischer Entwicklung und nicht zuletzt auch aus regulatorischen Klarheiten, das ist derzeit die spannende Frage. Aus Japan oder Singapur heißt es, dass man gerne in „zwei bis drei Jahren“ mit kommerziellen Flügen starten würde, manche Anbieter sind etwas vorsichtiger, was den Zeitpunkt angeht. Deutlich wird: Eine ganze Branche fühlt sich in den Startlöchern. Die vertikalen Starts und Landungen versprechen platzsparend zu sein, zusätzlich können die eVOTL einen weiteren – versteckten - Trumpf ausspielen: Mit Elektroantrieb sind sie deutlich leiser als andere Flugmaschinen. Auch dieser Aspekt wird vom Werkstoff beeinflusst: Richtig geplant können Komposit-Bauteile Geräusche von Rotoren und Motoren zusätzlich dämpfen. Gleichzeitig muss der Werkstoff robust sein, mit Vogelschlag genauso zurechtkommen wie mit Hagelschauern. Hier ist es von Vorteil, wenn Experten einen Werkstoff beständig weiterentwickeln: „Wir haben in unseren Laboren und gemeinsam mit Kunden daran gearbeitet, wie der ideale ROHACELL® Kern der Zukunft aussehen und funktionieren müsste“, erzählt Carvalho. Die Antwort darauf ist ROHACELL® HERO. Ein Material, das genauso robust ist wie alle anderen ROHACELL® Schaumstoffprodukte, bei Aufprallschäden aber optisch direkt erkennen lässt, dass das entsprechende Bauteil betroffen war – eine entscheidend hilfreiche Zusatzfunktion für Sicherheitsfragen zum Beispiel im Flugzeugbau. „Schlägt zum Beispiel ein Hagelkorn ein, federt das biegsame Carbon meist zurück und der Einschlag hinterlässt keine Spuren“, beschreibt sie weiter. „Schadenssichtbarkeit ist aber ein ganz wichtiger Faktor für Flugzeughersteller und -betreiber. Sie müssen in der Lage sein, jeden Bereich mit Schäden leicht zu erkennen. Wenn ROHACELL® HERO als Kern eines Teils verwendet wird, ist die Sichtbarkeit von Aufprallschäden mit bloßem Auge hervorragend.“ Der gleiche kritische Blick auf die Inspektion vor dem Flug gilt für alle Fluggeräte, auch für Lufttaxis. Mit ROHACELL® habe man jahrzehntelange Erfahrungen und Expertise in der Flug- und Raumfahrtindustrie gesammelt, unterstreicht Roth. Dieses technische Know-how zur Verfügung zu stellen und mit seinen Kunden bei der Entwicklung neuer Anwendungen zusammenzuarbeiten, käme auch der wachsenden Gruppe von Lufttaxi-Entwicklern zugute: „Wir sprechen hier von einem sehr dynamischen, jungen Markt, in dem alle Beteiligten ständig auf der Suche nach innovativen Technologien und Materialien sind“, fügt Carvalho hinzu.

Die richtigen Werkstoffe entscheiden

Ihre Jungfernflüge haben diverse Flugtaxi-Prototypen bereits hinter sich. Fortwährend weiterentwickelt wird aber immer noch. Ihre Einsatztauglichkeit unter realen Bedingungen müssen alle Modelle noch unter Beweis stellen – zumal immer noch nicht ganz klar ist, wie genau diese Bedingungen aussehen werden. Denn dafür müssen Politik und Gesellschaft zunächst die Regeln aushandeln. Dann wird sich zeigen, welches Fluggerät den besten Mix aus Preismodell, Antriebskraft und Sicherheitsfaktoren aufweist. Und das richtige Material könnte sich als die wichtigste Geheimzutat erweisen.

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